zuletzt aktualisiert: Donnerstag, 7. März 2013, 20:47 Uhr
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Wie mich ein denkwürdiges Spiel mit dem Leutzscher Fußball infizierte
Die Flut kam von ganz oben. Das war kein gewöhnlicher Regenguss mehr. Die Ukraine spielte kaum fünf Minuten bei der heimischen Europameisterschaft in Donezk gegen Frankreich, als das Spiel unterbrochen werden musste. Ein Wassermarsch. An so ein Regenspiel könne er sich in seiner Karriere als Torwart nicht erinnern, hatte ZDF-Experte Oliver Kahn im Anschluss gesagt. Doch sein Arbeitgeber wusste es besser.
Damals, am 18. Juli 1997, spielte Kahns FC Bayern München im Alfred-Kunze-Sportpark ein Freundschaftsspiel gegen den FC Sachsen Leipzig. Es war mein erster Besuch im Leutzscher Holz, ein denkwürdiger. Boris Lucic, ich weiß es noch wie heute, schoss das erste Tor. Der FC Sachsen verlor, aber das war mir damals, als Bayern-Fan, total egal. 3:1 hieß es nach 90 Minuten für Giovane Elber & Co. vor 18 000 Zuschauern. Der Alfred-Kunze-Sportpark war ausverkauft. Beim Abpfiff war ich längst nicht mehr im Stadion. Es war eine Regenschlacht. Nichts für Schönwetterfans.
„Cherry, Cherry“, hatte es immer wider aus den Lautsprechern und aus den rauen Leutzscher Kehlen getönt. „Cherry, Cherry“, was meinen die nur, dachte ich, völlig unbedarft. Mein Fußballhorizont reichte fernab des FC Bayern – wenn überhaupt – bis in die zweite Liga zum VfB Leipzig. Doch ich kam wieder. Hunderte Spiele, ein paar Aufstiege, Abstiege und Insolvenzen später sollte ich es besser wissen. „Chemie“, der Alfred-Kunze-Sportpark, die Leutzscher Legende hatten es nicht schwer, mich in ihren Bann zu ziehen. Ich, 1997 ein Frühpubertierender, war nie zuvor in einem Stadion gewesen. Die Atmosphäre bei Chemie elektrisierte mich. Die Leutzscher Legende habe ich in mir aufgesogen.
Mit Chemie habe ich viel erlebt. Ich sah Steffen Hammermüller spielen, bewunderte Mike Lünsmann, vergötterte Andreas Schiemann und Ronny Kujat. Ich spürte den Hauch von 1964, mehrmals, als der Alfred-Kunze-Sportpark Tausende Zuschauer anzog. Gegen Union Berlin, Rot-Weiß Essen, den FC Schönberg und Carl Zeiss Jena, als kaum Plätze frei blieben. Ich sah mit den Diablos die Leutzscher Ultrà-Kultur entstehen, begeisterte mich für die Kreativität der neuen Fans, lernte mich einzumischen.
Spieler kamen. Spieler gingen. Der Umzug ins Zentralstadion riss Wunden auf, die bis heute nicht verheilt sind. Fans, Sponsoren und Funktionäre projizierten in den FC Sachsen die Hoffnung Mitteldeutschlands, auch ich war zu lange verblendet vom Versprechen des schnellen Erfolgs. Doch der blieb aus. Mittlerweile ist der FC Sachsen längst Geschichte, aber die Leutzscher Legende lebt in der BSG Chemie unbeirrt weiter. Wir sind, zumindest was das Sportliche betrifft, alle nüchterner geworden.
Tatsächlich, es ist alles anders im Leipziger Fußball, doch ich fühle immer noch genauso wie vor 15 Jahren, als ich den Leutzscher Fußball entdeckte. Wer weiß, wo es mich ohne das Gastspiel des FC Bayern 1997 im Alfred-Kunze-Sportpark, ohne diese Regenschlacht, hinverschlagen hätte. Ich werde immer ein Grün-Weißer bleiben. Und das ist, so absurd es sein mag, indirekt auch das Verdienst von Oliver Kahn und dem FC Bayern.
Herzlichen Dank an René Loch für diesen Hinweis und die Hintergründe.
« Die Leutzscher Einheit ist kein Selbstzweck
10 Kommentare bisher
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Du warst Bayern-Fan? War ja klar. 😉
Na, weil … ach, jetzt fällt mir gar kein Grund ein. Außer: Man sieht Dir den Erfolgsfan an!
Ich bilde mir ein, Lünsmann hat die Bude gemacht. Lucic von rechts vorbereitet. Kahn wurde übrigens ausgewechselt. Den großen regen hat bernd dreher abbekommen. Dreher??? Ich glaub!
„Kriston stand plötzlich im Strafraum frei, legte zu Virag ab, der noch den freistehenden Lucic bediente, der unbedrängt zum Führungstreffer einschoß.“ So berichtet die LVZ vom 19. Juli 1997 in der Rechtschreibung dieser Zeit.
Der Regen begann auch direkt nach dem Anpfiff und ich erinnere mich an ein Foto, auf dem Kahn unter einem Regenschirm steht. Bernd Dreher wurde eingewechselt und dann in der LVZ zitiert: „Natürlich ist es bei solchen Verhältnissen für einen Torwart viel schwieriger …“
Schön auch das Zitat von Elber: „Es war alles sehr naß auf dem Platz, aber der Gegner hat wirklich gut gespielt.“
Laut Jens Fuge (ich glaube aus „10 Jahre FC Sachsen“) schossen die Tore Lucic (3.) und die Bayern Hamann (30.), Elber (47.) und Münch (88.). Der FC Sachsen spielte mit folgender Aufstellung: Sejna – Sänger – Nedic, Ziffert (Küttner) – Kriston (Feetz), Virág (Kaiser), Hammermüller, Lucic, Baum – Lünsmann, Golowan (Filipovic).
Da werde ich ja noch mal ganz schwermütig, wenn ich diese Aufstellung lese. Um das Spiel sehen zu können, habe ich damals vehement einen Krankenhausaufenthalt abgelehnt. Die geschwollenen Lymphknoten haben sich dann auch ganz ohne Ärzte wieder in den Griff bekommen.
[...] (Leipzig/1692) 26. Rotebrauseblogger (Leipzig/1858) 27. Rechtsanwalt Jens Hänsch (Dresden/2062) 28. chemieblogger.de (Leipzig/2078) 29. glossy world (Dresden/2097) 30. Das rote Blog (Dresden/2122) 31. Dresden [...]
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